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T 1020/15 - Four substantial procedural violations


In examination appeal after a refusal due to an alleged lack of novelty, lack of inventive step and lack of clarity, the decision to refuse was under scrutiny as, among others, not (sufficiently) reasoned. The Board of Appeal identified four substantial procedural violations: comments from the applicant not taken into account (r.1.2.3), not sufficiently substantiated / no reasons given (r.1.2.4; r.1.3; r.1.4), Guidelines not followed (r.1.2.3, r.1.2.6, r.1.3), and interlocutory revision not granted (r.1.11). Further, common general knowledge was not acknowledged (r.1.10.1) which had a major impact on the assessment of patentability. The decision also shows (again) that also "decisions according to the state of the file" need to be as well reasoned as other decisions.


Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerinnen (beide Anmelderinnen) reichten eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung ein, die Europäische Patentanmeldung Nr. 09 728 249.5 zurückzuweisen.
II. Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1, 14 und 15 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten einzigen Antrags sind (Anspruch 1 ist mit dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruch 1 identisch)
[...]
III. Die Beschwerdeführerinnen beantragten - nach telefonischer Rücksprache durch die Kammer am 3. September 2015 - mit Schreiben vom 14. September 2015, unter Aufhebung der Entscheidung die Sache auf der Basis der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche 1-15 zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen. Außerdem wurde die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.
IV. In der vorliegenden Entscheidung sind die folgenden Dokumente des Prüfungsverfahrens zitiert:
[...]
V. Die vorliegende europäische Patentanmeldung Nr. 09 728 249.5 basiert auf der internationalen Patentanmeldung PCT/EP2009/001476, die als WO-A-2009/121455 veröffentlicht wurde.
Für diese internationale Anmeldung wurden im internationalen Recherchenbericht im Hinblick auf die als relevant erachteten Dokumente D1-D3 und die recherchierten Ansprüche die folgenden Stellen als wesentlich angesehen:
[...]
VI. Basierend auf der vorgenannten internationalen Recherche und insbesondere den Dokumenten D1-D3 wurde im PCT-Verfahren vom bevollmächtigten Bediensteten des EPA ein schriftlicher Bescheid datiert vom 5. Oktober 2010 erstellt, in dem unter anderem die folgenden Ausführungen gemacht wurden:
"Zu Punkt V.
1 Es wird auf die folgenden Dokumente verwiesen:
[...]
2 Neuheit (Artikel 33(2) PCT)
Die vorliegende Anmeldung erfüllt nicht die Erfordernisse des Artikels 33(1) PCT, weil der Gegenstand der Ansprüche 1,2,7-10,12 und 14 im Sinne von Artikel 33(2) PCT nicht neu ist.
[...]
3 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 33(3) PCT)
[...]
6 Klarheit (Artikel 6 PCT)
[...]
VII. Nach dem Eintritt der internationalen Anmeldung in die europäische Phase erging am 12. November 2010 eine Mitteilung gemäß Regel 161 (1) und 162 EPÜ, in der die Anmelder zur Beseitigung der im schriftlichen Bescheid (siehe Punkt VI oben) festgestellten Mängel aufgefordert wurden.
VIII. Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2010 nahmen die Anmelderinnen zu dieser Mitteilung gemäß den Regeln 161 (1) und 162 EPÜ Stellung.
[...]
IX. Die Prüfungsabteilung antwortete auf diese Erwiderung mit dem nachfolgenden Bescheid vom 15. April 2013:
[/..]
X. Mit dem Schriftsatz vom 29. Juli 2013 machten die Anmelderinnen explizit darauf aufmerksam, dass sich nicht nachvollziehen lasse, wo in den Entgegenhaltungen die einzelnen Merkmale der Ansprüche offenbart seien, und dass entgegen den Richtlinien für die Prüfung am Europäischen Patentamt der schriftliche Bescheid auf unbelegten Tatsachenbehauptungen beruhe, so dass die (dem Amt obliegende) Beweislast nicht ausreichend gewürdigt werde. Mangels neuer Einwände seitens der Prüfungsabteilung werde im Übrigen auf den bisherigen Vortrag verwiesen und eine Entscheidung nach Aktenlage unter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung beantragt.
XI. Am 12. Dezember 2014 erging die angefochtene Entscheidung der Prüfungsabteilung, die bezüglich der Entscheidungsgründe folgende Ausführungen macht:
"Im Bescheid /In den Bescheiden vom 15. April 2013 wurde dem Anmelder [sic] mitgeteilt, dass und aus welchen Gründen die Anmeldung nicht die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
Der Anmelder [sic] hat auf den letzten Bescheid keine Stellungnahme oder Änderungen eingereicht, sondern mit einer am 7. August 2013, also fristgerecht eingegangenen Eingabe, Entscheidung nach Lage der Akten beantragt.
Die Anmeldung war daher zurückzuweisen."
XII. Am 11. Februar 2015 wurde die Beschwerde gegen die Entscheidung der Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung eingereicht.
XIII. In der Beschwerdebegründung datiert vom 13. April 2015 wurden von den beiden Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen die Folgenden für die Entscheidung relevanten Argumente vorgebracht:
[..]
Die erfindungsgemäßen Herstellungsverfahren und Bleche seien folglich nicht naheliegend.
Aus den vorgenannten sowie den im bisherigen Prüfungsverfahren vorgetragenen Gründen, erfüllten die Ansprüche 1 bis 15 die Erfordernisse des EPÜ.
XIV. Am 15. Mai 2015 wurde der Beschwerde nicht abgeholfen und der Rückzahlung der Beschwerdegebühr wurde nicht stattgegeben.
Entscheidungsgründe
1. Wesentliche Verfahrensfehler
1.1 Die angefochtene Entscheidung der Prüfungsabteilung zur Zurückweisung der vorliegenden Europäischen Patentanmeldung nach Lage der Akten verweist im Hinblick auf die Entscheidungsgründe auf den Bescheid der Prüfungsabteilung vom 15. April 2013 und stellt fest, dass "Der Anmelder hat auf den letzten Bescheid keine Stellungnahme oder Änderungen eingereicht, sondern mit einer am 7. August 2013, also fristgerecht eingegangenen Eingabe, Entscheidung nach Lage der Akten beantragt"(siehe Punkt XI oben).
1.2 Die Kammer stellt fest, dass der Bescheid vom 15. April 2013 keinerlei Begründung für irgendeine Beanstandung unter dem EPÜ enthält, insbesondere nicht für eine der Neuheitsbeanstandungen gegenüber D1-D3, für eine Beanstandung der erfinderischen Tätigkeit unter Artikel 56 EPÜ, oder für eine Klarheitsbeanstandung gemäß Artikel 84 EPÜ (siehe oberen Punkt IX).
1.2.1 In diesem Bescheid wird im letzten Absatz von Punkt 1 von der Prüfungsabteilung einerseits zunächst behauptet, dass die im Schreiben vom 10. Dezember 2012 vorgebrachten Argumente der Anmelderin "sorgfältig nachvollzogen" wurden. Allerdings führt diese Behauptung zu keinem schriftlichen Ergebnis im Bescheid, da dieser keinerlei Ausführungen enthält, welche die - im Bescheid im Übrigen auch nicht wiedergegebenen - Argumente der Anmelderinnen widerlegen bzw. darlegen, warum deren Argumente nicht akzeptiert werden können.
1.2.2 Andererseits wird im Punkt 2 "Schwebende Einwände" dieses Bescheids wieder auf den Inhalt des internationalen vorläufigen Berichts zur Patentfähigkeit nach dem PCT verwiesen, der aber nicht Bestandteil des Prüfungsbescheides ist.
1.2.3 Im Punkt 2 des Bescheids wird dann zusätzlich behauptet: "Nach der Aufforderung zur Beseitigung von Mängeln gemäß Regel 161 (1) EPÜ hat der Anmelder keinen der erhobenen Einwände der internationalen vorläufigen Berichts zur Patentfähigkeit ausgeräumt". Diese Behauptung der Prüfungsabteilung, die im Zusammenhang mit ihrer Aussage in Punkt 1 gesehen werden kann, enthält ebenfalls keinerlei Ausführungen, warum die vorgebrachten Argumente nicht akzeptiert werden können.
Da der Bescheid vom 15. April 2013 keine entsprechenden Ausführungen enthält, geht auch die angefochtene Entscheidung damit nicht auf die von den Anmelderinnen vorgetragenen Argumente ein und widerlegt diese, wie dies gemäß den Richtlinien für die Prüfung im EPA E-IX, 5.2, verlangt wird, um dem Anspruch auf rechtliches Gehör genüge zu tun (siehe Richtlinien für die Prüfung im EPA, E-IX, 1.2). Die angefochtene Entscheidung verstößt damit gegen die Erfordernisse von Artikel 113 (1) EPÜ (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 7. Auflage 2013, Kapitel III.B.1.2; siehe z.B. T 435/07 supra).
Dies ist der erste wesentliche Verfahrensfehler der Prüfungsabteilung.
1.2.4 Die Kammer stellt außerdem fest, dass der Bescheid vom 15. April 2013 keine begründeten Einwände gemäß Regel 71 (2) EPÜ und somit auch keinen einzigen Entscheidungsgrund enthält (dies gilt im Übrigen auch für den internationalen Bescheid des beauftragten Prüfers, wie unten in den Punkten 1.4 bis 1.8.4 dargelegt wird). Die angefochtene Entscheidung ist somit auch nicht, wie von Regel 111 (2) EPÜ gefordert, begründet.
Dies ist der zweite wesentliche Verfahrensfehler der Prüfungsabteilung.
1.2.5 Die Tatsache, dass ein Anmelder einen Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage stellt, entbindet die Prüfungsabteilung nicht von der Überprüfung, ob ein Verweis auf den Prüfungsbescheid/die Prüfungsbescheide tatsächlich ausreicht, um dem rechtlichen Gehör (Artikel 113 (1) EPÜ) und dem Erfordernis einer ausreichenden Begründung (Regel 111 (2) EPÜ) genüge zu tun.
Wenn es sich dabei erweist, dass dieser Verweis dazu nicht geeignet ist, muss ggf. zunächst ein begründeter Bescheid erlassen werden, der diese Mängel behebt, bevor überhaupt eine Zurückweisung stattfinden kann.
Dies ist als solches auch in den Richtlinien zur Prüfung im EPA, C-V, 15.2 bis 15.4 klar festgehalten. Die Prüfungsabteilung hat dazu, in der Vorbereitung einer Zurückweisung einer Anmeldung eine kollektive Verantwortung, so wie es auch die Richtlinien zur Prüfung im EPA, C-VIII, 1, 3 und 4, sehr deutlich herausstellen.
1.2.6 Im vorliegenden Fall muss die Kammer davon ausgehen, dass die in den obigen Richtlinien gemachten Ratschläge nicht befolgt wurden, bzw. dass diese Prüfung nicht zum notwendigen Ergebnis geführt hat.
Ein einfacher Vergleich der im internationalen Recherchenbericht zitierten Ansprüchen und Passagen der als neuheitsschädlich bezeichneten Dokumente D1-D3 mit den unabhängigen Ansprüchen 1 und 14 des geltenden Antrags hätte gezeigt, dass diese Dokumente nicht alle dafür erforderlichen Merkmale offenbaren (vergleiche die unteren Punkte 1.4 bis 1.8.4) bzw. dass in dem Bescheid vom 15. April 2013 auf kein einziges der vorgebrachten Argumente der Anmelderinnen eingegangen wird. Dies gilt umso mehr für den Einwand der mangelnden Begründung der Neuheitseinwände.
Dieses Vorgehen wird als weiterer, dritter wesentlicher Verfahrensfehler der Prüfungsabteilung angesehen.
1.3 Die Kammer stellt weiterhin fest, dass die Behauptung in der angefochtenen Entscheidung (nach Bescheid vom 15. April 2013), wonach die Anmelderinnen auf den letzten Bescheid keine Stellungnahme eingereicht hätten, nicht korrekt ist. Im Gegenteil, die Anmelderinnen haben im Antwortschreiben datiert vom 29. Juli 2013 (siehe oberen Punkt X) sehr wohl darauf hingewiesen, dass im genannten Bescheid der Prüfungsabteilung nur auf den Bescheid der internationalen Recherchenbehörde verwiesen werde, was aber unzureichend sei, weil nicht nachvollziehbar sei, wo in den Entgegenhaltungen die einzelnen Merkmale der Ansprüche hervorgehen sollen. Die Beweislast beim Vorbringen von Einwänden liege aber gemäß den Richtlinien für die Prüfung im EPA (G-IV, 7.5.3) prinzipiell beim beauftragten Prüfer.
Dies stellt einen weiteren Verstoß gegen das rechtliche Gehör gemäß Artikel 113 (1) EPÜ dar.
1.4 Im Bescheid der Prüfungsabteilung vom 15. April 2013 wird im Hinblick auf die behaupteten Mängel der vorliegenden Europäischen Anmeldung auf den internationalen vorläufigen Bericht zur Patentfähigkeit nach dem PCT verwiesen.
Wie nachfolgend von der Kammer dargelegt wird, enthält dieser Bericht, und damit der Bescheid (siehe oberen Punkt VI), lediglich Behauptungen aber keinerlei Begründungen.
1.5 Anspruch 1 des einzigen Antrags definiert [...].
1.6 Gemäß dem Bericht bzw. schriftlichen Bescheid sollten die im Recherchenbericht zitierten Passagen des Dokuments D1 neuheitsschädlich sein.
1.6.1 Die Ansprüche 1 und 2 der D1 offenbaren eine "Klarlackschicht, erhältlich durch [...].
1.6.2 D1 offenbart somit weder die Glasübergangstemperaturen Tg des verwendeten Zwischenklarlacks bzw. des Deckklarlacks (und damit dass der Erweichungspunkt des vernetzten äußeren Klarlacks höher ist, als jener des vernetzten Zwischenklarlacks) noch irgendeinen tan deltamax-Wert, insbesondere keinerlei Verhältnis der tan deltamax-Werte von Deckklarlack zu Zwischenklarlack.
1.6.3 Die Neuheitsbeanstandung auf der Basis der Offenbarung von D1 (siehe oberen Punkt VI, Absatz 2.1), die einen tan deltamax-Wert überhaupt nicht erwähnt, ist somit eine unbegründete Behauptung, wobei die Anmelder zum Verständnis des Bescheids zusätzlich noch die Informationen des internationalen Recherchenberichts heranziehen müssten, obwohl der Bescheid von sich aus verständlich sein sollte.
1.7 Die Neuheitsbeanstandung auf der Basis von D2 ist im Bericht/Bescheid (siehe oberen Punkt VI, Punkt 2.2) überhaupt nicht ausgearbeitet, bzw. belegt und somit gegenstandslos.
1.7.1 Im Ãœbrigen, D2 offenbart ein [...]
1.7.2 D2 betrifft somit nicht [...].
1.8 Die Neuheitsbeanstandung auf der Basis von D3 ist im Bericht/Bescheid (siehe oberen Punkt VI, Punkt 2.3) überhaupt nicht ausgearbeitet, bzw. belegt und somit gegenstandslos.
1.8.1 Im Übrigen, die britische Patentanmeldung D3 weist eine Priorität vom 12. März 2007 auf und wurde am 24. September 2008, d.h. nach dem Prioritätsdatum der vorliegenden Anmeldung vom 4. April 2008 bzw. vor deren Anmeldedatum vom 2. März 2009, veröffentlicht.
1.8.2 Um einen Neuheitseinwand zunächst einmal aufstellen zu können, wäre es notwendig gewesen, die Priorität der vorliegenden europäischen Anmeldung zu überprüfen. Dies ist ebenfalls nicht erfolgt.
1.8.3 Weiter ist festzustellen, dass D3 [...]
1.8.4 Da D3 keinerlei Verhältnis der tan deltamax-Werte von Deckklarlack zu Zwischenklarlack offenbart, kann auch die mögliche Neuheitsbeanstandung nicht durchgreifen.
1.9 Unter Berücksichtigung der aufgrund der Offenbarung der Dokumente D1-D3 nicht haltbaren Neuheitsbeanstandungen ist auch die darauf basierende - ebenfalls unbegründete - Behauptung der mangelnden erfinderischen Tätigkeit im Bericht/Bescheid (siehe oberen Punkt VI, Punkte 3 bis 3.3), der den Aufgabe-Lösungs-Ansatz auf der Basis der unterscheidenden Merkmale und deren technischer Effekte nicht berücksichtigt, nicht haltbar.
1.10 Auch die im Bescheid zusätzlich erhobenen Klarheitsbeanstandungen betreffend die Ansprüche "1, 2, 5 und 14" und das Merkmal "tan deltamax", bzw. dass der Anspruch 1 ein zu erreichendes Ergebnis definieren würde und der Ausdruck "fluorfreie Bindemittelchemie" unklar wäre (siehe oberen Punkt VI, Punkte 6 bis 6.3), können aus den folgenden Gründen nicht halten.
1.10.1 Die Behauptung eines "unüblichen Parameters" betreffend das Merkmal "tan deltamax" ist im Hinblick auf die Beschreibung der dynamisch mechanischen Analyse in der vorliegenden Anmeldung (siehe WO-A-2009/121455, Seite 5, zweiter Absatz) und dem darin zitierten D7 mit der dort angegebenen Norm DIN EN ISO 6721-1, aber auch im Hinblick auf das Dokument D3, das denselben Parameter "tan deltamax" für denselben Zweck, aber nur bei der Zwischenklarlackschicht anwendet, nicht haltbar. Wenn eine internationale Norm auf diesem Merkmal "tan deltamax" basiert, kann es sich nicht um einen unüblichen Parameter handeln.
1.10.2 Bezüglich der Formulierung von Anspruch 1 "die beiden Deckklarlacke hinsichtlich ihres Verhältnisses von Festigkeit und Elastizität so eingestellt sind, dass ... ein Verhältnis der tan deltamax-Werte ... eingehalten wird" wird angemerkt, dass die Argumentation der Anmelderinnen, wonach der Fachmann weiß, wie er das Verhältnis der Festigkeit und Elastizität einzustellen hat und das Messverfahren zur Messung von tan deltamax-Werte bekannt ist, nie widerlegt wurde.
1.10.3 Der beanstandete Ausdruck "fluorfreie Bindemittelchemie" - ohne Begründung, warum dieser Ausdruck vage und unklar sein soll - ist für den Fachmann nicht unklar, da er eindeutig fluorfreie Bindemittel (im Gegensatz zum Beispiel des fluorhaltigen Bindemittels gemäß Anspruch 7 von D1) oder Bindemittelkomplexe ohne fluorhaltige Zusammensetzungen definiert.
1.10.4 Im schriftlichen Bescheid wird auch unter dem Punkt 6 "Klarheit" behauptet, dass Anspruch 14 unklar wäre (siehe oberen Punkt VI, Punkt 6). Allerdings wird dann in der Folge nirgends ausgeführt, aus welchen Gründen dies ist.
1.11 Die Prüfungsabteilung hat, obwohl in der Beschwerdebegründung explizit ein wesentlicher Verfahrensfehler gemäß Artikel 113 (1) EPÜ wegen mangelnden rechtlichen Gehörs geltend gemacht wurde (siehe oberen Punkt X), der Beschwerde nicht gemäß Artikel 109 (1) EPÜ abgeholfen, obwohl der vorliegend zugrunde liegende Fall einer Beschwerde dem in den Richtlinien zur Prüfung im EPA, E-X, 7.1 i) genannten Situation entspricht (siehe auch E-X, 7.3 und 7.4), wonach das Organ zum Zeitpunkt der Entscheidung im Verfahren befindliches Material nicht gebührend berücksichtigt hat und daher abzuhelfen wäre.
Da im vorliegenden Fall durch einen Vergleich der Entscheidung mit den Argumenten der Anmelderinnen leicht erkennbar ist, dass die Prüfungsabteilung diese Argumente in ihrer Entscheidung überhaupt nicht berücksichtigt hat (siehe obere Punkte 1.2.3 und 1.3), ist der geltend gemachte wesentliche Verfahrensfehler im Hinblick auf Artikel 113 (1) EPÜ offensichtlich. Die Prüfungsabteilung hätte dies erkennen müssen und der vorliegenden Beschwerde somit abhelfen müssen.
Dass sie dies nicht gemacht hat, stellt daher den vierten wesentlichen Verfahrensfehler dar.
2. Rückzahlung der Beschwerdegebühr (Regel 103 (1)(a) EPÜ)
2.1 Wie die Kammer oben festgestellt hat, liegen vier wesentliche Verfahrensfehler vor, so dass die Entscheidung aufgehoben werden muss. Weil keine besonderen Gründe dagegen sprechen (dieser Fall wurde in der Bearbeitung vorgezogen) ist die Sache (ohne weitere Prüfung) nach Artikel 11 VOBK zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.
2.2 Da diese wesentlichen Verfahrensfehler die Ursache für die Zurückverweisung an die Erstinstanz darstellen, entspricht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr der Billigkeit gemäß Regel 103 (1)(a) EPÜ, weshalb dem entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerinnen stattgegeben wird.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
This decision T 1020/15 (pdf) has European Case Law Identifier:  ECLI:EP:BA:2015:T102015.20150923. The file wrapper can be found here. Photo "Wrong Way Go Back - You fools!" by Johnny Jet obtained via Flickr under CC BY 2.0 license (no changes made).

Comments

  1. It is all very unfortunate this case. Five years have now passed since this original response, without any substantive progress.

    I can’t help but wonder if this could have been avoided, if the original reply to the ISR had been a little more helpful. Claim 14 of the original application is a product by process claim. The novelty of such claims can be tricky.

    The Examiner wasn’t the only one who had some curious reasoning, by the way. Also in the original reply are some strange comments. For example:

    Der beauftragte Prüfer behauptet, dass die Ansprüche 1, 2, 7 bis 10, 12 und 14 der vorliegenden Anmeldung nicht neu gegenüber Dl seien und deshalb auch keine erfinderische Tätigkeit aufweisen würden.

    Es wird gebeten anzugeben, aufgrund welcher gesetzlicher Vorschrift oder aufgrund welcher Rechtssprechung sich der beauftragte Prüfer berechtigt sieht, die Neuheitsprüfung und die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit in derartiger Weise zusammenzufassen.

    Nach Auffassung der Anmelderin ist eine Argumentation dahingehend, dass bei fehlender Neuheit auch die erfinderische Tätigkeit nicht vorhanden wäre dem Europäischen Patentübereinkommen fremd.

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  2. On the other hand, it is positive that the Boards (at least the Meinders board) can still decide an appeal within 6 months from the Statement of Ground if they prioritize the case, and that they are willing to do so in case of such mistakes of the Examining Division.

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  3. Is this the result of early certainty of search?

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    Replies
    1. Well, early certainty of search was only introduced during 2014 when the search report of this application had already drawn up. However, the examination of this application was carried out on the basis of the examination procedures underlying the quality management system certified under the ISO 9001, which latter was obtained by the EPO in December 2014, i.e. at about the time when the application was refused.

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  4. Did I miss something? What is this concept of 'early certainty of search'? Is this another EPO buzzword? Is there an OJ reference?

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