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D 2/14 - From ´Fail´ to ´Pass´



The following concerns an appeal against a decision of the Examination Board which, in view of the appellant, was based on the Examination Board holding a factually erroneous view of the answer to statement 10.4 of the pre-examination of 2014 which resulted in the appellant obtaining an overall score of 68 and thereby being awarded a 'fail'.

Statement 10.4 read "Before the publication of EP-T, it is not possible to amend the description of EP-Tin order to delete embodiment X1."

The Examiners Report indicates that the statement should be considered "True", because: 
"Even if the applicant filed amended application documents with the EPO before the termination of the technical preparations for publication, only amended claims would be included in the publication but not an amended description, Rule 68(4) EPC."

The appellant argues in his appeal that the answer provided in the Examiners Report did not match the statement 10.4, and that the statement should rather be considered "False". (for further substantive discussion on statement 10.4, see, e.g., here).

According to Art. 24(3) of the Regulation on the European qualifying examination for professional representatives (REE), if the Examination Board or the Secretariat considers the appeal to be admissible and well-founded, it shall rectify its decision and order reimbursement of the fee for appeal. However, if the appeal is not allowed within two months from notification of the decision, it shall be remitted to the Disciplinary Board of Appeal of the EPO.

In the present decision, the appeal was not allowed and thus remitted to the Disciplinary Board.

Short English summary of the 'Entscheidungsgründe'
The Disciplinary Board agrees with the appellant in considering the answer to statement 10.4 provided in the Examiners Report to mismatch the statement, with this mismatch unduly working in the disadvantage of the appellant. The Disciplinary Board thus considers the appeal to be allowable. However, the Disciplinary Board considers that Art. 24(4) REE second sentence does not give the Board the power to, beyond setting aside a decision, also change a candidate´s marking.

It is then considered by the Disciplinary Board whether there are are 'special reasons' in accordance with Art. 12 of Additional Rules of Procedure of the Disciplinary Board of Appeal which would allow the Disciplinary Board to change the candidate's markings, rather than remitting the case to the Examination Board.

Art. 12 of said Additional Rules of Procedure reads as follows:

"If fundamental deficiencies are apparent in proceedings before the Disciplinary Body whose decision is under appeal or before the Examination Board, the Disciplinary Board of Appeal
shall remit a case to that Body or Board, unless special reasons present themselves for doing otherwise."

The Disciplinary Board indeed considers such special reasons to be present (see points 10-12), thereby, instead of remitting the case to the Examination Board, ordering a setting aside of the decision, the awarding 71 points to the appellant and the awarding a 'pass', and the reimbursement of the appeal fee.

See also similar decisions D 4/14, D 5/14 and D 6/14.

Entscheidungsgründe

Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

1. Gemäß Artikel 24(1) VEP und nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer (im Anschluss an D 1/92, ABl. EPA 1993, 357) sind Entscheidungen der Prüfungskommission grundsätzlich nur dahin zu überprüfen, ob nicht die VEP oder die bei ihrer Durchführung anzuwendenden Bestimmungen oder höherrangiges Recht verletzt sind. Es ist nicht die Aufgabe der Beschwerdekammer, das Prüfungsverfahren sachlich zu überprüfen. Den Prüfungsausschüssen und der Prüfungskommission steht nämlich im Grundsatz ein Beurteilungsspielraum zu, der nur sehr begrenzt der gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Nur wenn der Beschwerdeführer geltend machen kann, dass die angegriffene Entscheidung auf schweren und eindeutigen Fehlern beruht, kann dies von der Kammer berücksichtigt werden. Der behauptete Fehler muss so offensichtlich sein, dass er ohne Wiedereröffnung des gesamten Bewertungsverfahrens und ohne wertende Neubetrachtung der Prüfungsarbeit festgestellt werden kann. Das ist etwa dann der Fall, wenn Prüfer bei ihrer Beurteilung von einer technisch oder rechtlich falschen Beurteilungsgrundlage ausgehen, so dass die angefochtene Entscheidung auf dieser beruht.

2. Laut dem Prüferbericht zur Vorprüfung 2014, der den Prüfern des Prüfungsausschusses IV als Beurteilungsgrundlage diente, liegt der Aussage 10.4 die Problemstellung zugrunde, ob eine Änderung der Beschreibung einer europäischen Patentanmeldung, die vor Veröffentlichung der Anmeldung eingereicht wird, in der Veröffentlichung berücksichtigt wird oder nicht (siehe Punkt V oben). In der Aussage 10.4, die von den Bewerbern mit "wahr" oder "falsch" zu bewerten war, fehlt indes eine Bezugnahme auf den Inhalt der Veröffentlichung. Die einleitenden Worte "Bis zur Veröffentlichung von EP-T ..." beziehen sich eindeutig auf die Veröffentlichung als maßgebenden Zeitpunkt, nicht auf den Inhalt der Veröffentlichung. Die Zweckangabe "... dass die Ausführungsform X1 gestrichen wird" lässt offen, in welcher Form die Streichung bewirkt werden soll. Dieser Nebensatz ist weder grammatikalisch auf die Veröffentlichung (geschweige denn deren Inhalt) zurückbezogen, noch lässt der Kontext des Aufgabenstammes (einleitender Teil) zweifelsfrei darauf schließen, dass die Streichung der Ausführungsform X1 in der Veröffentlichung der Anmeldung Eingang finden soll. Der Beschwerdeführer moniert zu Recht, dass in der Aufgabe jeglicher Hinweis fehlt, dass beabsichtigt ist, die Veröffentlichung der Ausführungsform X1 zu verhindern. Die Aussage 10.4 hätte anders formuliert werden müssen, um diese Zielsetzung zum Ausdruck zu bringen. Es konnte von den Bewerbern nicht erwartet werden, diese Zielsetzung als Annahme zu treffen, da die Regel 22(3) ABVEP den Bewerbern vorschreibt, sich auf die in der Prüfungsaufgabe genannten Tatsachen zu beschränken. Folglich liegt der Aussage 10.4 nach objektiven Maßstäben nicht die Fragestellung zugrunde, die die Beurteilungsgrundlage der Prüfer bildete.

2.1 Das Verständnis, von dem der Beschwerdeführer bei der Bearbeitung der Aussage 10.4 der Aufgabe 10 ausgegangen ist, ist aus objektiver Sicht gerechtfertigt. Die ein­leitenden Worte "Bis zur Veröffentlichung von EP-T ..." implizieren einen zeitlichen Aspekt, der für das Ver­ständnis der zugrundeliegenden Problemstellung maßgebend ist. Die Problemstellung ist demnach, ob der Anmelder bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anmeldung EP-T die Beschreibung in der Weise ändern darf, dass er die Ausführungsform X1 streicht. Wiewohl die Möglichkeit zur Vornahme von Änderungen an der Beschreibung in zeitlicher Hinsicht vom Erhalt des Recherchenberichts und nicht von der Veröffentlichung der Anmeldung abhängt, ist diese Problemstellung im Kontext der Aussage 10.4 nicht abwegig, sondern im Lichte von Regel 10(5) ABVEP i.V.m. Regel 22(3) ABVEP als Prüfungsaufgabe vertretbar. In der Gesamtschau der einschlägigen Vorschriften (Regeln 137(2), 70a(1) und (2), 70(1) und (2), 68(1) sowie 65 EPÜ) musste keine Annahme getroffen werden, die über die vorgegebenen Tatsachen hinausgingen. Als Folge dieses Verständnisses war die Aussage 10.4 gerade anders zu bewerten, als der Prüferbericht zur Vorprüfung 2014 vorgab. Die Diskrepanz zwischen der Aufgabenstellung und der Beurteilungsgrundlage wirkte sich somit zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus.

3. Im Ergebnis sind die Prüfer des Prüfungsausschusses IV bei ihrer Beurteilung der Aussage 10.4 der Vorprüfung 2014 von einer falschen Beurteilungsgrundlage ausgegangen, da dem Prüferbericht zur Vorprüfung 2014 in Bezug auf die Aussage 10.4 eine andere Problemstellung zugrunde lag, als sie nach objektivem Verständnis der zu bewertenden Aussage 10.4 entnommen werden konnte. Die angefochtene Entscheidung beruht nach dem Gesagten auf einem schweren und eindeutigen Fehler, der ohne wertende Neubetrachtung der Prüfungsarbeit feststellbar ist, da er allein auf die inhaltliche Bedeutung der konkreten Formulierung der Prüfungsaufgabe 10 und der Aussage 10.4 nach objektiven Verständnis abstellt. Die vom Beschwerdeführer gerügte Bewertung ist deshalb rechtsfehlerhaft erfolgt und der Beschwerde muss stattgegeben werden. Gemäß Artikel 24(4) VEP ist die angefochtene Entscheidung folglich aufzuheben und die Beschwerdegebühr zu erstatten.

4. Nach dem Wortlaut von Artikel 24(3) VEP muss das Organ, dessen Entscheidung angefochten wird (vorliegend die Prüfungskommission) der Beschwerde abhelfen, wenn es die Voraussetzungen hierfür als gegeben erachtet. Dies bedeutet auch, dass es der Prüfungskommission aufgegeben ist, das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen gründlich zu prüfen, bevor sie sich für oder gegen die Abhilfe entscheidet und in letzterem Fall die Beschwerde an die Beschwerdekammer weiterleitet (D 38/05 vom 17. Januar 2007, Punkt 3 der Entscheidungsgründe; D 4/06 vom 29. November 2006, Punkt 3 der Entscheidungsgründe). Auf dem Weg der Abhilfe kann in klaren und eindeutigen Fällen eine fehlerhafte Entscheidung rasch und auf einfachem Weg beseitigt und der bei einem Verfahren vor der Beschwerdekammer unumgängliche Zeitbedarf und Kostenaufwand erspart werden. Dies liegt im allseitigen Interesse, insbesondere aber im Interesse des Beschwerdeführers selbst (D 38/05 vom 17. Januar 2007, Punkt 2 der Entscheidungsgründe; D 4/06 vom 29. November 2006, Punkt 2 der Entscheidungsgründe). In Anbetracht der offensichtlichen Diskrepanz zwischen Aufgabenstellung und Beurteilungsgrundlage wäre seitens der Prüfungskommission Abhilfe (Artikel 24(3) VEP) geboten gewesen. Dies umso mehr, als das Bestehen der Vorprüfung der Europäischen Eignungsprüfung 2014 eine Bedingung für die Anmeldung zur Europäischen Eignungsprüfung ist (Artikel 11(7), letzter Satz, VEP).

Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung

5. Der Beschwerdeführer beantragt, die Bewertung der Aussage 10.4 der Vorprüfung der Europäischen Eignungsprüfung 2014 richtig zu stellen, und die Prüfungsarbeit auf der Basis der richtig gestellten Punktezahl mit der Note "bestanden" zu bewerten.

6. Gemäß Artikel 24(4), zweiter Satz, VEP hat die Beschwerdekammer die angefochtene Entscheidung aufzuheben, falls die Beschwerde zulässig und begründet ist. Die Sache wird dann an die Prüfungskommission zurückverwiesen mit der Anordnung, eine neuerliche Bewertung der in Frage stehenden Prüfung vorzunehmen. Artikel 24(4), zweiter Satz, VEP gibt der Beschwerdekammer aber nicht die Befugnis, über die Feststellung einer Rechtsverletzung hinaus eine abweichende Bewertung einer Prüfung anzuordnen.

7. Die Beschwerdekammer hat die Frage geprüft, ob Artikel 12 der Ergänzenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten (Zusatzpublikation zum ABl. EPA 1/2014, 54) eine Grundlage dafür bilden kann, davon abzusehen, die Sache an die Prüfungskommission zurückzuverweisen und dieser anzuordnen, eine neuerliche Bewertung der Vorprüfung der Europäischen Eignungsprüfung 2014 vorzunehmen, weil besondere Gründe im Sinne dieser Bestimmung gegen die Zurückverweisung sprechen.

8. Besondere, gegen eine Zurückverweisung sprechende Gründe im Sinn von Artikel 12 der Ergänzenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinar­angelegenheiten wurden bislang in wenigen Ausnahmefällen angenommen (D 5/86, ABl. EPA 1989, 210, Punkt 9 der Entscheidungsgründe: Beschwerde gegen eine Disziplinarmaßnahme, Verfahrensdauer von 9 Jahren, mehrfache Anhörung eines Zeugen; D 11/91, ABl. EPA 1995, 721, Punkt 7.9 der Entscheidungsgründe: Beschwerde gegen eine Disziplinarmaßnahme, Verfahrensdauer von 7 Jahren; D 8/08 und D 9/08 vom 19. Dezember 2008, Punkt 8 der Entscheidungsgründe: Beschwerde gegen die Nichtzulassung zur Eignungsprüfung 2009, knappe Zeit bis zur Eignungsprüfung). Die Zurückhaltung ist angebracht, da die Beschwerdekammer im Falle eines Absehens von einer Rückverweisung im Rahmen der Zuständigkeit des Organs tätig wird, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Diese Kompetenz besteht aufgrund von Artikel 24(4), erster Satz, VEP i.V.m. Artikel 22(3) VDV i.V.m. Artikel 111(1), 2. Satz, EPÜ. Bei Beschwerden gegen Entscheidungen der Prüfungskommission betreffend die Europäische Eignungsprüfung ist von der Möglichkeit gemäß Artikel 12 der Ergänzenden Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten, in der Sache zu entscheiden, nicht Gebrauch gemacht worden. Nach ständiger Rechtsprechung unterliegt nämlich die eigentliche Bewertung der Prüfungsleistung daraufhin, wie viele Punkte die jeweilige Antwort auf eine Prüfungsfrage verdient, nicht der Nachprüfung durch die Beschwerdekammer, ebenso wenig wie die Kriterien, aufgrund deren die Prüfungskommission die Wertigkeit der erwarteten Antworten auf die Prüfungsfragen bestimmt (vgl. D 7/05, ABl. EPA 2007, 378, Punkt 20 der Entscheidungsgründe). Dies ist gerechtfertigt, weil und soweit für die prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum wesentlich ist und eine gerichtliche Kontrolle auf eindeutige ermessensmissbräuchliche Verfahrensverstöße bei der Bewertung der Prüfungsarbeiten beschränkt ist.

(...)

10. Der schwerwiegende Fehler bei der Aussage 10.4, den die Beschwerdekammer im Rahmen ihrer gerichtliche Kontrolle auf eindeutige ermessensmissbräuchliche Verfahrens­verstöße bei der Bewertung der Prüfungsarbeiten fest­gestellt hat, führt bei dieser Sachlage unmittelbar zu einer Korrektur der Wertung der Prüfungsarbeit des Beschwerdeführers, die auf der Grundlage des der Beschwerdekammer vorliegenden Antwortblatts des Beschwerdeführers ohne Eingriff in einen Ermessensspielraum des zuständigen Prüfungsausschusses bzw. der zuständigen Prüfungskommission nachvollzogen werden kann.

11. Hinzu kommt, dass die Bewertung der Vorprüfung der Europäischen Eignungsprüfung 2014 mit der Note "bestanden" eine Bedingung für die Anmeldung zur Europäischen Eignungsprüfung ist (Artikel 11(7), letzter Satz, VEP). Die vollständigen Anmeldeunterlagen der Bewerber, die sich zur Hauptprüfung 2015 anmelden möchten, müssen bis spätestens 8. September 2014 beim Prüfungssekretariat eingegangen sein. Daher besteht Dringlichkeit. Eine Zurückverweisung an die Prüfungskommission würde die zur Verfügung stehende Zeit weiter verkürzen.

12. Schließlich ist nach Auffassung der Beschwerdekammer auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Prüfungskommission ungeachtet der wohl begründeten und objektiv nachvollziehbaren Rüge einer Diskrepanz bei der Bewertung der Aussage 10.4 der Vorprüfung 2014 die fehlerhafte Entscheidung nicht auf dem Weg der Abhilfe beseitigt und damit auch nicht den Zeitaufwand eines Verfahrens vor der Beschwerdekammer erspart hat.

13. Diese Umstände stellen nach Auffassung der Beschwerdekammer besondere Gründe dar, die rechtfertigen, dass die Beschwerdekammer anstelle des zuständigen Prüfungsausschusses bzw. der zuständigen Prüfungskommission eine individuelle Bewertung der einzelnen Arbeiten unter Vergabe von Einzelpunkten und darauf basierend eine Vergabe der Noten "bestanden" oder "nicht bestanden" vornimmt.

14. Vorliegend hat der Beschwerdeführer die drei Aussagen 10.1, 10.2 und 10.3 der Vorprüfung 2014 korrekt beantwortet. Die Neubewertung der Aussage 10.4 führt nunmehr dazu, dass der Beschwerdeführer für die Aufgabe 10 fünf statt drei Punkte erhält. Damit erhöht sich die Gesamtpunktzahl seiner Arbeit von 69 auf 71 Punkte. Nach Regel 6(2)a) ABVEP ist für die Vorprüfung 2014 des Beschwerdeführers die Noten "bestanden" zu vergeben.

(...)

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Prüfungsarbeit des Beschwerdeführers im Rahmen der Vorprüfung zur Europäischen Eignungsprüfung 2014 wird mit 71 Punkten bewertet. Nach Regel 6(2)a) ABVEP wird die Note "bestanden" vergeben.

3. Die Beschwerdegebühr wird zurückerstattet.

This decision has European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2014:D000214.20140722. The whole decision can be found here.

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