Search This Blog

Labels

T 1410/14 - Recognizable to skilled person within short period


In this opposition appeal, the appellant argues a lack of novelty based on public prior use.

Namely, according to the appellant, a tram of Bombardier, which was tested in the city of Lodz, anticipates the claim, while its use, i.e., the testing, was publically accessible. In particular, the appellant argued that all relevant features were visible from a pedestrian bridge crossing the rails of a trajectory of the tramcar, with the trajectory being completed 13 times during testing. 

With respect to a particular claim feature, namely a console of a swivel bearing which is moveable perpendicular to the direction of the tram ("Schwenklagerung eine(r) Konsole (3) (...), die am Wagenkasten (1) in Fahrzeugquerrichtung (Q) verschiebbar gehalten ist"), the appellant argued that such movement would have occured since the rails beneath the bridge were in bad condition, which would result in the tramcars moving mutually with respect to each other, causing the console to move +/- 2 to 2.5cm in the claimed direction, which in turn would be visible from the bridge.

Complicating the matter is that the console would only have been visibile from above for a short time, due to its arrangement within the narrow space between two adjacent tramcars.

Orientierungssatz:
Merkmale eines nur für einen kurzen Zeitraum sichtbaren Gegenstands sind nur dann der Öffentlichkeit zugänglich geworden, wenn zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass für den Fachmann in diesem kurzen Zeitraum die Merkmale eindeutig und unmittelbar zu erkennen waren (Gründe, 2.1-2.5).

[English translation, paraphrased: Features of an object having been visible only for a short period are only then considered to be publically accessible, when it can be proven without a doubt that these features were clearly and directly recognizable to the skilled person within this short period.]
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die behauptete offenkundigen Vorbenutzung, deren Gegenstand insbesondere in den Dokumenten D4 und D15 dargestellt ist (D4 und D15 sind Bilder eines Koppelgelenks), ist kein Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ.

Von den Parteien wurde nicht bestritten, dass am 26. April 2004 ein Fahrzeug (1209, "City Runner") mit den Merkmalen des strittigen Anspruchs 1 im öffentlichen Verkehrsraum der Stadt Lodz (PL) gefahren ist. Weiterhin ist unstrittig, dass das streit­gegen­ständliche Koppelgelenk lediglich von oben, nämlich z.B. von der Fußgängerbrücke, die wie in D13 und D14 dargestellt über die Fahrtrasse führt, einsehbar gewesen ist.

Die Kammer sieht es nicht als bewiesen an, dass ein Fachmann die Möglichkeit hatte, während dieser Vorbenutzungs­handlung alle Merkmale der Erfindung zu erkennen. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin nicht ausreichend dargetan, dass für den Fachmann das Merkmal 1.5, wonach eine zur Schwenklagerung gehörende Konsole am Wagenkasten verschiebbar gehalten werde, bei den Testfahrten in Lodz erkennbar gewesen war.

Die Gründe dafür sind wie folgt:

2.1 Zunächst ist festzustellen, dass das Merkmal 1.5, wonach eine zur Schwenklagerung gehörende Konsole am Wagenkasten verschiebbar gehalten werde, auch für einen Fachmann nur dann erkennbar ist, wenn sich die Konsole in der Gummilagerung erkennbar bewegt. Dieser Punkt ist ebenfalls unstrittig.

Aus Sicht der Kammer sind daher im Wesentlichen zwei Aspekte zu prüfen:

- Hat an der Stelle der Gleistrasse, an der eine Person das Gelenk von oben hätte einsehen können, eine Wankbewegung stattgefunden, die eine signifikante Bewegung der Konsole ausgelöst hat?

- Hat eine beobachtende Person überhaupt lange genug Zeit gehabt, das Gelenk zu beobachten, um diese Bewegung der Konsole in Fahrzeugquerrichtung dann zu erkennen?

2.2 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass Wankbewegungen der Wagenkästen zu Bewegungen in der Schwenk­lagerung der Konsole im Bereich von bis zu insgesamt 4 bis 5 Zentimeter (+/- 2 bis 2,5 cm) führten. Die Kammer folgt ihr darin, dass eine derartige Verschiebung so groß ist, dass sie von einer Person, ggf. mit Hilfe von Foto- oder Videoaufnahmen fraglos aus einer Entfernung von 5 Metern erkannt werden kann.

2.3 Die Kammer hält es aber für nicht ausreichend dargelegt, dass der Fachmann ausreichend Zeit gehabt hat, die Verschiebebewegung des Gelenkes zu erfassen, die nötig ist, um das Merkmal 1.5 in seiner Bedeutung zu erkennen. So ist vor allem offengeblieben, wie lange eine auf der Fußgängerbrücke stehende Person die Gelegenheit gehabt hätte, die Verschiebung der gelagerten Konsole zu beobachten.

Dazu ist vor allem nicht zweifelsfrei bewiesen worden, dass das streitgegen­ständliche Gelenk nicht nur in dem kurzen Moment einseh­bar gewesen ist, in dem es sich direkt unter der Brücke befunden hat, also dass eine auf der Brücke stehende Person es nicht nur bei einem im Wesentlichen senkrecht nach unten gerichteten Blick hat erkennen können.

Die Beschwerdeführerin hat angegeben, dass das Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 40 Stunden­kilometern unterwegs gewesen sei; dies entspricht einer Geschwindigkeit von etwa 5,5 bis 11 Meter pro Sekunde, so dass der Zeitraum zur Beobachtung aus einer im Wesentlichen senkrechten Perspektive auch bei nur 20 km/h im Bereich von weniger als eine Sekunde liegt.

2.4 Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage, ob mit Hilfe von Foto- oder Videoaufnahmen die Merkmale des streitgegenständlichen Gelenks auch in dem kurzem Zeitraum hätten erkannt werden können, kann dahingestellt bleiben, da es weiterhin nicht bewiesen worden ist, dass in diesem kurzen Zeitraum sich die Konsole in der Gummilagerung signifikant bewegt hat.

Zu diesem Zweck hätten genau in diesem Zeitraum Wankbewegungen der Wagenkästen stattfinden müssen, derart, dass sich die auf demselben Drehgestell gehaltenen Wagenkästen zueinander verdrehen und sich damit die erfindungsgemäße Konsole in ihrem Gummilager verschiebt. Auch wenn man die Behauptung der Beschwerde­führerin als wahr unterstellt, es handele sich im Bereich vor und unterhalb der Brücke um einen Fahrweg mit einer Kurve, der sich in besonders schlechtem Zustand befunden habe, und es hätten gerade in diesem Bereich Wankbewegungen stattgefunden (wie den Abb. 16 und 17 der D12 zu entnehmen sei), kann nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass justament zu dem Zeitpunkt, in dem das betreffende Drehgestell unter der Brücke durchfährt, eine Wankbewegung ausgelöst wurde, die ein Verschieben der Konsole hätte erkennen lassen. Denn auch wenn eine Wankbewegung stattgefunden hätte, ist es fraglich, ob die Wankbewegung ein derart starkes Verschieben der Konsole hervorgerufen hätte, dass dieses vom Fachmann auch als solches unmittelbar und eindeutig zu identifizieren gewesen wäre, und ob die Verschiebungen insbesondere eindeutig von anderen Bewegungen von Teilen (z.B. verursacht durch Vibrationen und Deformationen) des sich in Bewegung befindlichen Fahrzeuges zu trennen war.

2.5 In diesem Zusammenhang spielt es auch keine Rolle, dass der Fahrzeugzug die Brücke insgesamt 13 mal passiert hat und der Fahrzeugzug mit vier erfindungsgemäßen Schwenk­lagern ausgestattet war, da jede dieser Passagen eines Drehgestells dieselbe Beobachtungs­situation hervorruft: da für die einsehbare Gleisstelle keine Auslösung einer Wankbewegung nachgewiesen wurde, die zu einer ausreichend deutlichen Verschiebung der Konsole gerade bei der Durchfahrt unter der Brücke geführt hat, ist die Offenbarung des Merkmals 1.5 nicht bewiesen.

Auch eine erneute Vernehmung des Zeugen, wie von der Beschwerdeführerin vorgeschlagen, würde diesen Punkt nicht weiter aufklären können. Der Zeuge hat angegeben, für den Einbau des strittigen Schwenklagers zuständig und vor Ort gewesen zu sein; er hat aber bereits bestätigt, nicht an den Versuchsfahrten teilgenommen zu haben. Insofern kann er zu der Frage, ob es direkt unter der Fußgängerbrücke zu Wankeffekten und dadurch bedingten signifikanten Verschiebungen der Konsole gekommen ist, keine Aussage machen.

3. Der Gegenstand der Erfindung gemäß dem erteilten Anspruch 1 ist neu gegenüber dem Stand der Technik gemäß D17 (Artikel 54(1) EPÜ), des Weiteren beruht der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

(...)

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

This decision T 1410/14 (pdf) has European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2015:T141014.20151014. The file wrapper can be found here. Photo "Cityrunner Lodz“ from HuBar (own work). Licenced under CC BY-SA 3.0 (no changes made) via Wikimedia Commons.

Comments

  1. If the opposition had not been introduced by Bombardier, one of the competitors of the proprietor Siemens, it could all lend to a smile.
    The test runs of the Bombardier tram were probably under a confidentiality clause, at least implicit, for the agents of the tram company. It would have been much easier to cite one of these agents as a witness, rather than trying such a demonstration. The only witness called has only participated in the development and mounting of the console, but was not participating in the test runs. It could therefore add nothing to his initial testimony.
    In any case the representative of the opponent was quite creative.
    It must be conceded to the Board that it considered very thoroughly this issue. A patent cannot be revoked on flimsy grounds.
    It is the opponent who brought in the possibility to use video or photos to demonstrate the movement of the console. In order to use such video/photo means, it would have been necessary to know what to look for, especially a relative movement of the tram parts. And that is anything but sure. The Board has clearly dismissed this possibility. It does not mean that it will not be possible to bring in such means, but the circumstances have to be adequate. When looking at the three conditions for a public prior use, when, what and how, the Board clearly answered no to the what and considered the how being contrary to what one would expect.
    13 times one second are not 13 seconds!

    ReplyDelete
  2. Dear Raoul, as regards the possibility of using video or photos: if what counts is solely the possibility that the public gains knowledge of the prior used device, I do not see why you say that the circumstances have to be adequate. By using the device in public, there is always the possibility that someone takes photos/pictures of the device. In order to avoid such risks, it is usual to cover the features of the device (see what the car industry does).

    ReplyDelete
  3. What was meant by adequate circumstances is easy to understand. In the present case, it was necessary to notice the relative movement of the two tram bodies relative to one another, and then to relate this with the special link between said two bodies. It is probably only when knowing what to look for that it is possible to say there has been a public prior use. But then it happened already, but under different circumstances.
    The circumstances play an important role when assessing a public prior use.
    A machine can be publicly used, but when the patent relates to a control circuit buried somewhere within the frame of the machine, has the control circuit been disclosed? A priori not. May be if a service door has been opened and/or the circuit displayed. If the machine is sold with a maintenance manual disclosing the circuit, then there is not doubt about the possibility to gain knowledge.
    Even in the case of a car, only what can be seen from the outside is publicly known. Would you claim that the camshaft has been disclosed when the car is parked on a public space?

    ReplyDelete

Post a Comment